Geschichte der Kirnitzschtalbahn

1989 bis heute

Die Endstelle Stadtpark war seit dem 3. August 1990 wieder in Betrieb. Innerhalb des Stadtgebietes wurden Ufermauer, Gleise und Straße erneuert. Als nächstes stand die Erneuerung des Fahrzeugparks an. Von Plauen wurden im Jahr 1992 zwei Gotha-Triebwagen übernommen, die ab 30. September 1993 als Triebwagen 1 und 2 eingesetzt werden konnten. Ihnen folgten 1995 ebenfalls aus Plauen der spätere Triebwagen 3 sowie aus Zwickau der Triebwagen 4 und 2007 aus Jena mit Zwischenaufenthalt in Radeburg der Triebwagen 6. Ergänzt wurden die Fahrzeuge mit den 1996 aus Zwickau übernommenen Gotha-Beiwagen 25 und (in Prag gebautem) B2D Nummer 26.

Ab dem 5. Oktober 1993 wurde der Betrieb der Kirnitzschtalbahn für 7 Monate eingestellt. Es erfolgten umfangreiche Bauarbeiten, die neben 1,6 km Gleis die Erneuerung der Endstelle Lichtenhainer Wasserfall und die Rekonstruktion der Wagenhalle beinhalteten. Die „Erfurter“ Triebwagen wurden an Interessenten abgegeben: der Wagen 5 nach Kreischa (1995 folgte ihm Triebwagen 4), Wagen 6 nach Halle/S. Während der Wagen 7 ohne Einsatz verschrottet wurde, verblieb lediglich Triebwagen 8 bis zum heutigen Tag einsatzbereit in Bad Schandau.

Auf das Dach der Wagenhalle wurde eine Photovoltaikanlage gesetzt, die bis heute ökologisch Strom liefert.

Am 1. Mai 1994 konnte der Betrieb wieder aufgenommen werden. Seit 1997 wird in der Regel der Sommerbetrieb mit 3 Gotha-Dreierzügen abgewickelt. Nur bei besonderen Fahrzeugengpässen hilft auch heute noch der alte „Erfurter“ Triebwagen 8 aus.

Im Sommer 2002 musste der Betrieb im August wegen des verheerenden Elbehochwassers ruhen. Durch die Elbe wurde die Kirnitzsch bis zum Straßenbahndepot zurückgestaut. Der Endpunkt am Stadtpark stand – ebenso wie die gesamte Innenstadt – meterhoch unter Wasser. Die dort abgestellten Beiwagen konnten jedoch von den Mitarbeitern der OVPS rechtzeitig weggefahren und in Sicherheit gebracht werden. Nach Rückgang des Wassers konnte zwar wieder gefahren werden, jedoch fehlten die Fahrgäste. Die Folgen des Hochwassers waren für die gesamte Elbtalregion katastrophal.

Auch die Saison 2003 fiel aus. Infolge der Erneuerung der Kirnitzschtalstraße, gepaart mit umfangreichen Gleisauswechslungen, wurde die Straßenbahn von Juni bis November eingestellt. Bitter war dies insbesondere für das Fahrpersonal; dieses wurde auf Kurzarbeit Null gesetzt. Lediglich an den Tagen des 6. Kirnitzschtalfestes am 26./27. Juli 2003 fuhr die Straßenbahn wieder.

Ende des Jahres 2006 wurde an die OVPS die Anfrage herangetragen, den historischen MAN-Wagenzug, bestehend aus Triebwagen 5 und Beiwagen 12, für die Verfilmung des Bernhard-Schlink-Romans "Der Vorleser" verwenden zu dürfen. Dem Wunsch konnte entsprochen werden, jedoch waren zuvor ein bestehender Motorschaden zu beheben und der Zug mit der gewünschten Sonderlackierung zu versehen. An den Reparaturarbeiten beteiligten sich wiederum die „Freunde des Eisenbahnwesens“.

Am 18. und 19. Januar 2007 tobte der Orkan „Kyrill“ über Deutschland und richtete auch in der Sächsischen Schweiz Zerstörungen an. Die Kirnitzschtalbahn kam relativ glimpflich davon, so war ein Baum auf einen am Lichtenhainer Wasserfall abgestellten Beiwagen gefallen. Für die Reparatur „opferte“ der Hallenser Arbeitstriebwagen 027 Teile seines Dachs.

Zum Jahresende gab es Bewegung im Fahrzeugpark: Am 8. November erfolgte der Transport des ehemaligen Jenaer Triebwagens 103 (vorher 6600037, vorher 123, ursprünglich 11III, Baujahr 1960) von Radeburg, wo er als Teil einer schmalspurigen Fahrzeugsammlung dienen sollte, nach Bad Schandau. Seit seiner Aufarbeitung ist er als Triebwagen 6 im Liniendienst anzutreffen. Am 10. und 11. Dezember überführte man schließlich HTw 5 und HBw 12 nach Görlitz. Dort lackierte man den Zug um, versah ihn mit zeitgenössischer Werbung im Stile der 50er Jahre und beschriftete beide Wagen mit der identischen Nummer 235. Vom 7. bis zum 9. März 2008 wurde in Görlitz gedreht, wobei der Straßenbahnverkehr der Stadt auf ein Minimum reduziert werden musste. Trotzdem wurden nicht alle vorgesehenen Einstellungen geschafft und so kam der Zug nach seiner Rückkehr nach Bad Schandau (22. April 2008) nochmals zum filmischen Einsatz. Am 24. und 27. Juni fuhr die Linie 5 zwischen Rohrbach und Obermarkt durchs Kirnitzschtal, Schaffnerin am ersten Tag war Kate Winslet. Endlich waren alle Szenen „im Kasten“ und so konnte später den Fahrgästen im Traditionsverkehr etwas ganz Besonderes geboten werden: die Mitfahrt in einer „echten Filmbahn“ mit kompletter Dekoration: Werbetafeln, unansehnlicher Lack, verschlissene Polster. Bis zum Saisonende war der Zug so im Einsatz, bevor er zur Rückverwandlung erneut nach Görlitz überführt wurde, von wo er am 5. März 2009 in neuer und historisch originaler Lackierung ins Kirnitzschtal zurückkehrte.

Am Nachmittag des 7. August 2010 traf die Kirnitzschtalbahn erneut ein schwerer Schlag: Nach tagelangen starken Regenfällen schoss eine Flutwelle der Kirnitzsch durch das Tal und richtete schwere Verwüstungen an. Erstmals seit dem Neubau der Wagenhalle 1927/28 stand diese unter Wasser, ebenso der komplette Fahrzeugpark der Linien- und historischen Fahrzeuge.

Doch wieder einmal bewiesen die Kirnitzschtalbahner, dass es irgendwie weitergehen muss. Obwohl sämtliche Fahrzeuge Motorschäden erlitten hatten und auch die Werkstatttechnik sehr stark beschädigt war, konnte mit den ersten beiden Einheitstriebwagen und zwei ebenfalls reparierten Beiwagen bereits wieder ab 28. August 2010 ein ausgedünnter Verkehr angeboten werden. Im 70-Minuten-Takt verkehrte die Bahn zwischen Stadtpark und Beuthenfall. Drei Wochen später war es möglich, den Takt auf 45 Minuten zu verkürzen. Der Betrieb wurde nun mit zwei Dreiwagenzügen durchgeführt, ein dritter Triebwagen verkehrte ab Depot als Nachläufer zum Beuthenfall, um dort die Beiwagen zu übernehmen.

Nach zwei Jahren, vier Monaten und sieben Tagen war es endlich soweit: Der fahrplanmäßige Linienverkehr der Kirnitzschtalbahn konnte bis zum angestammten Endpunkt Lichtenhainer Wasserfall wieder aufgenommen werden. Zehn Tage später, am heiligen Abend 2012, feierte unser Verein im Rahmen einer öffentlichen Sonderfahrt mit dem historischen MAN-Zug von 1928 die Wiederinbetriebnahme.

Das Hochwasser 2013 verschonte die Kirnitzschtalbahn, dafür sorgte ein anderes ungewöhnliches Ereignis für Furore: Am Morgen des 2. September 2014 stürzte ein 50-t-Felsbrocken zwischen Ortsausgang Bad Schandau und Depot auf die Straße. Nachdem er von einem ortsansässigen Karthographen vermessen und kartiert wurde, begann man mit dem Abtransport und der Reparatur der Straße - deshalb konnte die Straßenbahn erst wieder am 24. Oktober bis Bad Schandau fahren.

Auch die im Frühjahr 2020 grassierende Covid-19-Pandemie ("Corona") geht an der Kirnitzschtalbahn nicht spurlos vorüber. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Übertragungswege des Virus führen zu einem massiven Fahrgastschwund, weshalb die Kirnitzschtalbahn für einen ganzen Monat den Betrieb einstellt. Ab Mai steigen die Fahrgastzahlen langsam wieder, eine trotz Abstands- und Maskenpflicht erfolgreiche Saison steht bevor. Nur der Traditionsverkehr muss ausfallen - wie viele andere Veranstaltungen in der Region und im ganzen Land auch.